Warum ist Liebeskummer so schlimm?
Warum, ach warum ist die Liebe nur so schwer?
Jeder von uns re- inszeniert in seiner Liebesbeziehung oft ein frühkindliches Beziehungsmuster. Dies betrifft die prägenden Beziehungen, vor allem die zur Mutter.
Diese Re- Inszenierung geschieht auch wechselseitig, d.h. der Eine übernimmt die Rolle des Versorgers und der Andere die Rolle des Versorgten.
In einer tiefen und bedeutenden Paarbeziehung nehmen wir alle anderen Beziehungen mit auf, die vorher geschehen sind und die unsere Seele geprägt haben.
Das zeitweise Erleben des Gefühls von tiefer Geborgenheit in unserem Paarerleben lässt uns, vor allem emotional, an frühkindliche Gefühls- und Glücks- Erfahrungen erinnern. Die Sehnsucht und das Streben nach einer Wiederholung dieser bereits erlebten Symbiose* gründet sich also auf unseren frühkindlichen Gefühlserfahrungen.
*Symbiose
Eine wechselseitige biologische und hier auch emotionale Ernährungsbeziehung, die nützlich und notwendig für das dauerhafte Zusammenleben ist.
Mütter und Väter erleben ihre Kinder auch als Ergänzung ihres Lebens und gleichen ein Stück Ihrer seelischen Balance mit Ihnen aus.
Diese starke und auf tiefe Liebe ausgelegte Bindung zu ihren Kindern ist jedoch gleichzeitig auch eine Aufgabe für die Eltern, ihre Kinder in ihr eigenes Leben zu begleiten und sie emotional auf ihrem Weg in ihre Autonomie zu fördern.
Wenn nun die Eltern, auch hier kommt der Mutter eine bedeutendere Rolle zu, weil sie einen früheren und prägenderen Einfluss auf das Kind hat, zu sehr „klammern“ und ihr Kind für sich selbst zu sehr brauchen oder es auch bei seiner inneren Entwicklung allein lassen, wird diese Ablösung nicht ausreichend gefördert.
Das Kind wird womöglich später als Erwachsener diesen Entwicklungsschritt nachholen.
Auch als Erwachsene sind wir geneigt, die eigene Paarbeziehung zu stark symbiotisch gestalten, da wir hoffen, eine emotionale Versorgung nachholen zu können oder sich weiterhin so gut versorgt zu fühlen.
In der frühkindlichen Zeit liegen auch die für unsere Entwicklung notwendigen ersten Schritte zur Autonomie. Eine nicht ganz vollzogene innere Ablösung von der (frühkindlichen) Mutter kann auch zur Folge haben, dass Erwachsene diesen Schritt in irgendeiner Form nachholen und oft läuft ein unbewusstes inneres Programm ab, so das die verpassten und für unsere Entwicklung sehr wichtigen Schritte zur Autonomie nachgeholt werden.
Im Lauf einer Paarbeziehung, nach der Verliebtheit, findet ein emanzipatorischer Prozess statt und die Partner streben wieder mehr Autonomie an.
Es ist ein besonders schmerzhaftes Ereignis und eine bittere Erfahrung, wenn bei diesem Autonomiebestreben ein Partner eine Außenbeziehung beginnt, er/sie sich in jemand anderen verliebt und heimlich oder offen diese Außenbeziehung lebt.
Aus Erfahrung lässt sich sagen, dass dies fast jedes Paar erlebt.
Die Untreue wird als Verrat an der Beziehung erlebt. Die Enttäuschung, die Wut und Traurigkeit wirbeln soviel Staub auf, dass man erstmal nichts mehr sieht.
Der andere wird moralisch abgewertet und mit Vorwürfen überhäuft.
Mit gewonnenem innerem Abstand und mit der Zeit kann man sich mit der Frage beschäftigen, wie es dazu kam, wie es vielleicht unbewusst Beide darauf angelegt haben, dass einer diesen Schritt tut und was das Geschehene für einen bedeutet.
Ein oft nicht gesehener Aspekt bei der Untreue eines Partners ist die Sichtweise, dass es sich hierbei um einen nachzuholenden Akt des Autonomiebestreben und um eine Ablösung innerer Bindungen (vor allem die zur frühen Mutterbindung) handeln kann.
Es wird also in der Partnerschaft das wiederholt, was früher nicht stattgefunden hat. Man spricht von einer Re- Inszenierung.
Diese Re- Inszenierung an sich, bringt noch keine Weiterentwicklung, sie kann wie in einer Endlosschleife wiederholt werden. Wenn nicht verstanden wird, was da eigentlich passiert, bleibt sozusagen alles beim Alten.
Bei einer Trennung entstehen auch tiefe und schwere Schuldgefühle, auch weil es um die innere Erlaubnis geht, eine tiefe geborgenheitsbietende Beziehung, ähnlich wie die zur „frühen Mutter“, aufzugeben. Wenn das Autonomiebestreben des Kindes damals von den Eltern sogar mit Verboten versehen wurde, erleben die jetzt Erwachsenen große seelische Schmerzen, da sie empfinden, sie brechen ein Tabu und tun etwas Unrechtes (ich darf nicht verlassen oder verlassen werden).
Das Paar erhält durch die Untreue sozusagen eine bedeutende innere Aufgabe, nämlich den Entwicklungsschritt zu gehen und aus einer symbiotischen Beziehung heraus eine wirkliche Beziehung zueinander zu gewinnen.
Diese lebendige Strapaze ist äußerst anstrengend und schmerzvoll und der damit verbundene Liebeskummer zehrt an unserer Seele.
Diese beschwerlichen Erlebnisse bieten mit einem zeitlichen und innerlich gewonnenen Abstand und mit der dadurch verbundenen anderen Sicht auf die Dinge, auch eine Chance. Jeder einzelne hat die Chance sich selbst und sein eigenes Leben besser zu verstehen, und es gibt vielleicht auch eine neue Chance für das Paar gemeinsam zu reifen.
Wir Menschen befinden uns im Spannungsfeld von symbiotischen Bedürfnissen und dem Bedürfnis nach Autonomie. Bindung und Selbstständigkeit bilden zwei wichtige Pole im Leben, die unabdingbar zusammengehören und gelebt werden wollen.
All dieses Wissen lindert unsere Schmerzen nicht, diese Schmerzen müssen wir als Menschen durchleben.
In zwischenmenschlichen Beziehungen ist die Bewältigung von Trennungsangst und Trennung ein Leben lang ein Thema.
Die wesentlichen Gedanken zu diesem Text entstammen inhaltlich einem Vortrag des damaligen Frankfurter Arzt und Psychoanalytikers Michael Lukas Moeller.